Vorwort
Von Dragan Espenschied, Alvar C.H. Freude, 15.1. 2001, 19:41:22

Zur Situation der Freiheit im Internet
 
 
 
»There's a common belief that cyberspace cannot be regulated—that it is, in its very essence, immune from the government's (or anyone else's) control.«

Lawrence Lessig: CODE, 1999 Basic Books, New York

»For me, there WAS NEVER and there still IS NO promise of e-nfo_democracy and empowerment of the individual. The etoy.CORPORATION always laughed at such naive wishes and predictions.«

hans_extrem im Link in neuem Fenster anzeigenInterview von dplanet; 20.05.2000
 
  Als das Netz Anfang der 90er Jahre an Popularität gewann, versprach es vor allem Freiheit: Preiswerte Ausrüstung verschaffe Zugang zu einem alternativen sozialen Raum, in dem Informationen jeder Art ohne Zensur frei fließen würden. Publizieren sei ebenso einfach wie Lesen. Dadurch erhielten Inhalte, die nicht mit dem Mainstream schwimmen, die Möglichkeit, unabhängig von etablierten Medienkanälen weltweites Publikum zu erreichen.
Am Ende des Jahrzehnts hat sich die allgemeine Vorstellung vom Netz gewandelt. Nach dem Eroberungsfeldzug der Wirtschaft scheint vor allem das bequeme Einkaufen per Mausklick vom Sofa aus die eigentliche Bestimmung des Mediums zu sein. Die einstigen Freiheitsversprechen verwandelten sich in Chancen: Jeder könne nun für wenig Geld seinen eigenen Webshop eröffnen und am Internet-Boom teilhaben!

Genausowenig wie sich in den frühen 90ern auf einmal die ganze Welt unabhängig von staatlicher Kontrolle oder kulturellen Unterschieden verständigen konnte, kann heute ein kleiner Händler gegen etablierte Konzerne antreten. Alle das Netz betreffenden Zukunftsvisionen von Unabhängigkeit, Aufklärung, freiem Datenfluss oder auch nur »vote with your wallet«-Demokratie gehen von einer Architektur verteilter, gleichberechtigter Netzknoten aus. Dieses Modell beschreibt jedoch nur die technische Seite der Datenübertragung. Der tatsächliche Einsatz des Netzes bildet immer mehr bereits vorhandene Hierarchien und Machtverhältnisse ab oder dehnt diese sogar aus.

Inzwischen fließen zunehmend wichtige und persönliche Daten über das Netz, während gleichzeitig Überwachung und Kontrolle des Datenverkehrs zunehmen. Dadurch wird Netzwerk- und Software-Design zum politischen Thema. Auf Seiten der Anwender findet eine Diskussion darüber nur in kleinen eingeweihten Zirkeln statt. Dem gegenüber steht eine apolitische Schar von Konsumenten, die sich einem Medium überantwortet das sie nicht mehr versteht – und durch entsprechendes Interface-Design auch nicht verstehen kann. Änderungen an den Mechanismen des Netzwerkes werden also von Interessengruppen durchgeführt, die über entsprechenden Einflüsse und Mittel verfügen. Präsentiert werden fertige Ergebnisse, die keine Entscheidungsfreiheit mehr zulassen.
 
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